Das deutsche Solarzeitalter fängt gerade erst an

Meine Reaktion auf den Kommentar von Reinhard Lange zum möglichen „Ende des deutschen Solarzeitalters“ auf den Nachdenkseiten .

Ich möchte meiner Antwort auf Reinhard Langes Kommentar zunächst vorausschicken, dass ich seit Jahren regelmäßiger Leser der Nachdenkseiten bin. Ich komme aus der Anti-Atom- und Energiewendebewegung der 80er Jahre und beschäftige mich beruflich seit 1993 mit der Photovoltaik und habe alle Höhen und Tiefen dieser Branche in den letzten 20 Jahren mit erlitten. Der Antrieb für die Beschäftigung mit diesem Thema ist eine Begeisterung für Technik aber auch ein politisches Motiv. Sehr früh schon wurde mir bewusst, dass die meisten der Konflikte, die wir weltweit erleben, etwas mit Energie und Rohstoffbeschaffung für die energiehungrigen Industrieländer zu tun haben. Das jüngste Beispiel dafür ist der Krieg in Syrien. Auch mehr Verteilungsgerechtigkeit, die mir ein großes Anliegen ist, kann nur erreicht werden, wenn mehr Menschen einfachen Zugang zu billiger Energie haben. Ganz abgesehen davon, dass es ein gewagtes Experiment ist, jeden Tag 90.000.000 Fass Erdöl zu verbrennen und darauf zu hoffen, dass die damit einhergehende Veränderung unserer Atmosphäre keinen Einfluss auf unser Klima haben möge, bin ich davon überzeugt, dass das Zeitalter der fossil atomaren Energie bald zu Ende gehen wird. Das wird schon alleine deshalb passieren, weil die Sonnenenergie für jedermann so preiswert verfügbar sein wird, dass sich alle anderen Wege der Energiegewinnung erübrigen werden.

Doch nun zu dem Text von Herrn Lange:
Er beklagt – wie viele andere Kritiker der Energiewende – Deutschland habe Unsummen an „Subventionen“ in einen Markt gegeben und damit nur eine kleine Wirkung erreicht. Große Wind- und Photovoltaikleistungen tragen nur zu einem geringen Teil zur Stromversorgung bei.
In der Tat ist die Leistung einer Solarstromanlage eine völlig irrelevante Größe da – wie Herr Lange richtig erkennt – eine Solar- oder Windkraftanlage nur eine geringe Zahl an Vollaststunden aufweist. Der Wind weht nun mal nicht das ganze Jahr gleichmäßig und auch die Sonne scheint nur tagsüber und im Sommer mehr als im Winter. Eine Versorgung aus „Erneuerbaren“ Quellen macht also nur Sinn im Zusammenspiel mit Energiespeichern. Eine Energiewende macht auch nur Sinn, wenn man alle Sektoren des Energieverbrauchs miteinander koppelt und neben der Stromerzeugung auch die Wärmeversorgung und den Verkehr mit einbezieht. (Professor Volker Quaschning zeigt in seiner Studie zu diesem Thema wie es geht.) Bei all diesen wichtigen Gesichtspunkten hat die Politik aus meiner Sicht vollständig versagt. Ich stelle mir mehr und mehr die Frage, ob Politik in einer von Lobbyismus geprägten Demokratie überhaupt dazu in der Lage sein kann, ein so komplexes Problem wie die Energiewende sachgerecht zu managen. Es wurde weder eine Verkehrswende eingeleitet, noch wurde im Wärmebereich signifikant umgesteuert. Der Fokus wurde politisch ausschließlich auf die Stromversorgung gelegt und auch hier wurde die Förderung von Speichern sträflich vernachlässigt.

Durch die Kraftanstrengung des deutschen EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) wurde letztendlich nur ein einziges Ziel wirklich erreicht: Die Kosten für Solarstrom sind durch die große „künstlich“ in Deutschland angeregte Nachfrage von Jahr zu Jahr niedriger geworden.

Man mag diesen Preisrückgang auf chinesische Subventionen schieben, doch im Wesentlichen haben die Chinesen lediglich auf allen Wertschöpfungsebenen der chinesischen Solarindustrie die Kapitalkosten durch billige staatlich abgesicherte Kredite entfernt. Das hat gereicht. Nebenbei bemerkt: Deutschland hat stattdessen Pleitebanken wie der Hyporeal Estate Staatsgeld hinterher geworfen. Es mag jeder selbst entscheiden, welche Investition sich da in der Zukunft wohl mehr rentiert haben wird.

Es setzte trotz aller Schwankungen im Photovoltaik- Markt – die überwiegend den ständig wechselnden politischen Eingriffen geschuldet waren – eine Kostensenkung ein, wie wir sie sonst nur von digitaler Elektronik gewohnt waren, bei der die Preise für PCs, Smartphones etc. ähnlichen Kostenkurven folgen. Diese Kostensenkung beim Solarstrom hat dazu geführt, dass es inzwischen überall auf der Welt selbsttragende Märkte für Photovoltaik gibt, die keinerlei Subventionen mehr bedürfen (Beispiel siehe unten bei den Quellen).

In Deutschland werden neue große Freiland-Solarstromanlagen nur deshalb nicht „von selbst“ gebaut, weil der deutsche Strommarkt einen riesigen Stromüberschuss aufweist und demzufolge die Preise im Keller sind. Man könnte in einem solchen Markt ohne staatlichen Eingriff weder neue Solar-, Wind noch Kohlekraftwerke bauen. Man hat in Deutschland also riesige Mengen an Solar- und Windstromkapazitäten künstlich in den „Markt“ gebracht, ohne gleichzeitig dafür zu sorgen, alte Erzeugungskapazitäten aus dem Markt herauszunehmen. Weil man auf die gleichzeitige Markeinführung von Stromspeichern verzichtet hat, war dies auch technisch nicht ohne weiteres möglich. Die Folge sind sinkende Preise an den Strombörsen. Diese sinkenden Preise sind der eigentliche Hauptgrund für die ständig steigende EEG-Umlage. Dieser Umstand, der den – von der EEG Umlage befreiten- industriellen Großverbrauchern konkurrenzlos billige Strompreise bietet, wird gut verschleiert als Förderung für Erneuerbare Energien getarnt auf die Stromrechnungen der Endverbraucher geschrieben, nach dem gut erprobten Motto „Tarnen und Täuschen“.

Es gibt also in der Tat sehr gute Gründe, die deutsche Energiepolitik zu kritisieren. Da läuft sehr viel auch aus meiner Sicht in die völlig falsche Richtung. Dies nun aber zum Anlass zu nehmen „Das Ende des Solarzeitalters“ zu proklamieren, verkennt aus meiner Sicht vollständig die Realität. Das was die Energiewirtschaft noch vor 10 Jahren kollektiv für vollkommen unmöglich gehalten hat, dass man auch im vergleichsweise dunklen Deutschland Solarstrom für unter 7Cent/kWh würde produzieren können, ist heute Realität und das technische Ende dieser Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Im Sonnengürtel der Erde liegen die Preise unter 4 Cent/kWh.

Jetzt beobachten wir den gleichen Trend bei den Stromspeichern und auch hier sehen wir wieder die gleichen Abwehrreaktionen. Kritiker schreiben von „volkswirtschaftlich“ unrentablen Systemen und von riesigen Kosten und finden tausend Gründe, warum dass alles nicht funktionieren sollte. Es gibt keinen technischen Grund dafür, warum es nicht funktionieren sollte. Es wird mit Sicherheit nicht mehr in den Strukturen funktionieren, in denen damals noch RWE und E.ON die Lizenz zum Gelddrucken hatten. Die Zeit dieser Unternehmen ist – trotz aller Bemühungen noch auf den fahrenden Zug aufzuspringen – abgelaufen. Das Ende des Solarzeitalters ist noch lange nicht gekommen, im Gegenteil. Das Solarzeitalter beginnt gerade jetzt.

Das Einzige, was mich sehr nachdenklich stimmt im Zusammenhang mit der deutschen Energiepolitik: Ich war am Anfang ein glühender Anhänger des EEG, der davon überzeugt war, dass man in einer Demokratie den Wandel durch politische Entscheidungen herbeiführen kann. Inzwischen glaube ich, dass Unternehmer wie z.B. Elon Musk die Welt mehr verändern, als politische Eingriffe in einen Markt, die immer nur Stückwerk sein können. Schaut man sich das EEG heute an, so ist es ein echtes Energiewende Verhinderungsgesetz geworden.
Das EEG hat der Welt den billigen Zugang zu Solarstrom geschaffen, der Energiewende in Deutschland hat es auf lange Sicht gesehen wahrscheinlich eher geschadet. Der Artikel von Reinhard Lange ist ein Beleg für diesen angerichteten Schaden.

Mit freundlichen Grüßen

Dipl.-Ing. Matthias Diehl
Sachverständiger
für Photovoltaik und photovoltaische Anlagentechnik

Original Artikel
http://www.nachdenkseiten.de/?p=38254

Studie zur Sektorkopplung von Volker Quaschning:
https://www.volker-quaschning.de/publis/studien/sektorkopplung/index.php

Hauptgrund für steigende EEG Umlage:
https://photovoltaikbuero.de/?s=hoffnungstr%C3%A4ger

Kosten für Solarstrom in Deutschland:
https://www.pv-magazine.de/2016/12/08/6-pv-ausschreibungsrunde-zuschlagswert-sinkt-unter-7-0-cent-pro-kilowattstunde/

Kosten für Solarstrom in der Wüste:
https://www.pv-magazine.de/2016/08/29/weltrekord-solarstrom-fr-2-91-cent-pro-kilowattstunde/

Beispiel für Photovoltaikprojekt ohne Subventionen:
https://www.pv-magazine.de/2014/04/09/hanwha-q-cells-realisiert-solarpark-in-usa-ohne-frderung/

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