Eckpunkte Weiterentwicklung EEG – Interview mit Hans-Josef Fell

Kernelemente des EEGs erhalten – EEG von unnötigen Kosten befreien – Eckpunkte EEG Weiterentwicklung

Die Energieblogger führen derzeit unter dem Namen “Germany’s Next Top EEG (GNTEEG)” eine Aktion zur Bewertung verschiedener Reformvorschläge für die Energiewende durch. Gemeinsam bringen sie Licht ins Dunkel der Reformvorschläge, indem sie die einzelnen Vorschläge vergleichbar und vor allem einordenbar machen.
Als Mitglied der Energieblogger sprach das photovoltaikbuero mit Hans-Josef-Fell, dem “Vater des EEGs 2000”.

Hans-Josef FellHans-Josef Fell ist der eigentliche Initiator des EEGs, was viele nicht wissen. Nach seinem Einzug 1998 in den Bundestag zog Fell sich ein halbes Jahr in sein Büro zurück, wälzte Papiere und arbeitete auf eigene Faust an einem Entwurf für das spätere Erneuerbare-Energien-Gesetz. Dazu gesellten sich später Michaele Hustedt, die damalige energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sowie Dietmar Schütz und “Solarpapst” Hermann Scheer von der SPD. Die vier arbeiten das “Parlamentsgesetz” aus – was unüblich ist, in der Regel kommen Gesetze aus den Ministerien, die die entsprechenden Apparate haben. Das Gesetz wurde ein Erfolg: Fast ein Viertel des Strommixes in Deutschland machen die Erneuerbaren bereits aus, über 300.000 Arbeitsplätze waren in der Branche entstanden (bevor ab 2012 der politische Kahlschlag kam), Dutzende Staaten haben das EEG kopiert.

Gleich von Anfang an hagelte es Angriffe auf das EEG. Die gingen auch in den Folgejahren weiter bis zum heutigen Tag. Kein Wunder. Das Gesetz bewirkt in seiner Urversion einen Umbau zur dezentralen Energieversorgung – ein Generalangriff auf die Oligopol-Struktur der konventionellen Energiewirtschaft.
Auch aus eigenen Reihen der Grünen musste Fell es mit vielen Widerständen aufnehmen. Trittin und Baake z.B., die sich später gern mit den Erfolgen des EEGs schmückten und auf die eigenen Fahnen schrieben, waren beim zähen Ringen des PV-Vorschaltgesetzes Ende 2003, als es um eine Anschlusslösung des auslaufenden 100.000 Dächer Programms interne Widersacher und Verhinderer. Visionär Fell, der sich nie um das Rampenlicht riss, lässt sich nicht beirren in seinem Einsatz für eine atomfreie Zukunft und dezentralen Umbau der Energieversorgung hin zu 100% Erneuerbaren. Und wird sich voraussichtlich auch jetzt als Privatperson, der seit Sept. 2013 kein MdB mehr ist, nicht von “Bedenkenträgern” abbringen lassen. Der ehemalige Physiklehrer mit hohem Fachwissen ist einer, der gegen alle Widerstände unaufgeregt und bescheiden Ziele umsetzt.
Das photovoltaikbuero befragte Herrn Fell zu seinen Vorschlägen einer EEG-Reform. Als Privatperson kann er natürlich kein bis ins Detail ausgearbeitetes, durchgerechnetes Konzept vorlegen, das von Anwaltskanzleien juristisch auf Herz und Nieren geprüft ist. Hierfür müsste viel Geld in die Hand genommen werden. Die entscheidenden Leitpunkte, entlang der Grundlagen des EEGs 2000 für eine Weiterentwicklung konnten von ihm dennoch benannt werden.

Eckpunkte Weiterentwicklung EEG – Hans-Josef-Fell

1. Wie unterscheidet es sich vom bisherigen EEG bzw. warum meinen Sie, dass das Bestehende geändert werden muss?
Änderungen des EEGs und Anpassungen sind seit Beginn an Bestandteil des EEGs. Im EEG 2000 wurde festgelegt, das EEG alle 4 Jahre den aktuellen Entwickelungen anzupassen. Die Kernelemente des EEGs mit Einspeisevorrang für Erneuerbare Energien, sowie die technologiespezifischen Einspeisevergütungen, die Investitionssicherheit bieten, müssen erhalten bleiben. Die wesentlichen Änderungen, die meiner Meinung nach erforderlich sind, wären:

a) die kontraproduktive Berechnung der EEG-Umlage, die 2009 beschlossen wurde (AusglMechV), die die EEG-Umlage synchron zum sinkenden Börsenpreis steigen lässt und die Hauptursache für den Umlagenanstieg ist, muss rückgängig gemacht werden. Es ist dringend ein Wälzungsmechanismus erforderlich, der das EEG-Paradoxon beendet!

b) Freiland-PV Anlagen, die den günstigsten Solarstrom erzeugen, sind unter den jetzigen Rahmenbedingungen nicht mehr rentabel. Dieses Geschäftsmodell kommt nahezu vollständig zum Erliegen. Hier sind Verbesserungen erforderlich, damit die Erzeugung des günstigsten Solarstroms wieder Anreize bietet, z.B. auch für die sich überall gründenden Energiegenossenschaften.

c) Für neue Pflanzenöl BHKWs wurde die Vergütung abgeschafft und für Biogasanlagen ist der wirtschaftliche Betrieb immer eingeschränkter. Hier sind ebenfalls Nachbesserungen erforderlich, um eine Rentabilität zu gewährleisten.

d) Wir haben in einzelnen Bereichen bei Wind Onshore Küstenanlagen eine leichte Überforderung. Hier muss im Detail geprüft werden, welche Kürzungen erforderlich wären.

e) Förderung von Bioenenergie-, Wasserkraft- und Geothermieeinspeisung nur noch bedarfsorientiert gestalten (Residuallast)

f) Biomasse an Nachhaltigkeit und Biodiversität ausrichten

g) Speicherbonus einführen

h) Rückführung der „Besonderen Ausgleichsregelung“ (= Industrieprivilegien) auf Branchen, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen

2. Fördert dieses System eher eine zentrale oder dezentrale Energieversorgung?

die dezentrale Energieversorgung

3. Wie definieren Sie die Energiewende?

Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien im Stromsektor bis 2030 und im Wärme- und Transportsektor bis 2040

4. Welches übergeordnete Ziel liegt dem Vorschlag zu Grunde?

100% Ökostrom bis 2030

5. Wie sieht die Finanzierung dieses Modells aus?

Die Umlagefinanzierung über den Strompreis hat sich bis zur Einführung der AusglMechV (Einführung des EEG-Paradoxons) bewährt, so wie sie war. Privates Kapital einer breiten Masse von Bürgern wird gewinnbringend eingesetzt und mit diesem Kapital werden viele dezentrale Anlagen verteilt über das gesamte Bundesgebiet errichtet. Ohne künstlich erzeugtes EEG-Paradoxon und weitere Ausweitung der Industrieprivilegien steigt die EEG-Umlage kaum mehr oder kann sogar sinken. Daher ist die wichtigste Forderung: andere Umlageberechnung.

6. Welche Energieform wird von diesen Änderungen am meisten profitieren und bei welchen sollte der Ausbau verlangsamt werden?

Alle Arten der Erneuerbaren Energien sollen unterstützt werden. Der Ausbau darf nicht verlangsamt werden.

7. Wie bringt dieses System Kostenwahrheit in den Markt? Werden externe Kosten beachtet?

Das EEG in seiner Urform (ohne EEG-Paradoxon durch AusglMechV) bringt für die Erneuerbaren Energien Kostenwahrheit in den Markt. Der konventionell atomar-fossil erzeugte Strom beinhaltet keine Kostenwahrheit.

8. Wie sieht in Ihrem Konzept das Zusammenspiel der verschiedenen Energieformen aus? Gibt es sinnvolle Lösungen und die nötigen Anreize für den Ausgleich von Stromproduktionsschwankungen und zur Stromspeicherung?

Derjenige, der Leistung bereitstellt, soll einen finanziellen Anreiz/kWp erhalten. Dies sollte aber nicht über das EEG, sondern über das Energiewirtschaftsgesetz erfolgen. Dort kann auch das tatsächlich eingespeiste kW vergütet werden und weiterhin über das EEG auch die kWh.

9. Ist auch das Thema Wärme in Ihrem Konzept enthalten? Falls nein, warum nicht?

Indirekt enthalten über die Kraftwärmekopplung.

10. Welche Rolle spielt die Möglichkeit von Bürgerpartizipation in dem Modell?

Eine sehr große Rolle, da das Modell der Einspeisevergütungen dazu führt, dass sich jeder beteiligen kann, in Form von Energiegenossenschaften auch bereits mit kleinen Beträgen.

11. Wie stark spielt Klimaschutz und CO2 Reduktion eine Rolle in dem Vorschlag?

Die Erneuerbaren Energien und das EEG haben nach dem Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie die zweitgrößte CO2-Reduktion in Deutschland bewirkt. Das EEG ist das erfolgreichste und wichtigste Klimaschutzinstrument, es muss alleine deswegen optimiert fortgeführt werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fell

Die Übersichts-Checkbox:

GNTEEG Logo

Differenzierung Ja Teilweise Nein Anmerkung
Technologiespezifisches Modell (unterschiedliche Energieformen werden unterschiedlich behandelt) X
Regional differenziertes Modell (auf regionale Gegebenheiten wird Rücksicht genommen) X
Technologieneutrales Modell X
Vergütung
Einspeisevergütung (ct/KWh) X
Marktprämie (ct/kWh) X
Kapazitätsprämie (in €/KW) X
Quotenmodell X
Investitionszuschuss X
Andere X
Finanzierung
Umlageverfahren über Börsenstrompreis Umlage JA, aber nicht über den Börsen-preis !
CO2-Steuer X
Über ETS/EU-Emissionshandel) X
Budget X
Gesamtkosten bereits kalkuliert Gesamtkosten können nicht seriös kalkuliert werden, da sie immer auch die Gesamten vermieden Kosten an anderer Stelle der Volkswirtschaft beachten müssen. Im Prinzip ist klar, dass es unter dem Strich immer eine finanziell positive Bilanz der Energiewende gibt, insofern sind die Gesamtkosten für die Energiewende oder das EEG nicht anzugeben.
Eigenverbrauchsabgabe X
Ganzheitlichkeit
Anreize für Energieeffizienz werden berücksichtigt X indirekt Über das Marktgeschehen, dieses wirkt so, dass die effizienten Anlagen immer einen Wettbewerbsvorteil haben.
Schließt den Wärmesektor in den Betrachtungen mit ein X indirekt
Schließt den Verkehrssektor in den Betrachtungen mit ein X indirekt
Beinhaltet Lösungen und Anreize für den Ausgleich von Stromproduktionsschwankungen und zur Stromspeicherung X
Klimaschutz ist Bestandteil des Modells X
Dezentralität steht im Fokus X
Investitionssicherheit besteht auch für kleine Akteure X
Jährliches Ausbauvolumen begrenzt X
100% Erneuerbare sind das oberste Ziel X

Liste aller Konzepte und Interviws im Rahmen der GNTEEG-Untersuchung der energieblogger:

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