Softwareplattform für die Photovoltaikbranche

Seit 1992 arbeite ich inzwischen in der Photovoltaikbranche und etwa genauso lange bin ich auf der Suche nach Software die die tägliche Arbeit in den verschiedensten Bereichen erleichtert. Es gibt Auslegungstools um für eine bestimmte Modulkonstellation den richtigen Wechselrichter zu finden, es gibt Programme zur Wirtschaftlichkeitsberechnung der Anlagen, es gibt Simulationsprogramme um die Erträge einer Anlage an einem bestimmten Standort unter bestimmten Rahmenbedingungen abzuschätzen und es gibt Datenbanken mit Realdaten von Anlagen.

Es gibt Online Portale, – für jeden Wechselrichterhersteller ein eigenes, und es gibt Portale die mit verschiedenen Wechselrichtern kompatibel sind. Es gibt Datenbanken mit Einstrahlungsdaten und es gibt EEG Vergütungsrechner, die für eine bestimmte Anlagenkombination die richtige Vergütung ausspucken…

Was allen Lösungen gemein ist, ist die Tatsache, dass es sich meist um “Insellösungen” handelt, die für sich betrachtet gute Dienste leisten. In Bezug auf Interoperabilität, dass heißt das Zusammenarbeiten der einzelnen Bausteine sieht es meist düster aus. Es gibt zwar hier und dort mal eine Schnittstelle in die Außenwelt aber ein großer Wurf ist bisher keinem der Softwarehäuser gelungen.

Woran krankt es? Nun, es gibt z.B. unzählige Datenbanken für Solarmodule und für Wechselrichter und hat man ein neues Produkt sucht man den entsprechenden Datensatz oft vergebens. Für Abhilfe sorgen oft Internet Datenbanken aus denen die neusten Datensätze nachgeladen werden können, wenn der Datensatz dort bereits eingepflegt wurde.  Es gibt inzwischen gute Software für Verschattungssimulationen, einen einfach zu bedienenden Editor zum Erstellen von 3D Modellen habe ich in Photovoltaiksoftware bisher nicht gefunden. Jede der Lösungen hat auf ihrem jeweiligen Gebiet ihre Stärken aber in der Regel auch nicht zu übersehende Schwächen und viel zu oft wird das Rad zweimal oder vielfach erfunden. Was die eine Software grandios gelöst hat, macht die andere nur mittelmäßig und umgekehrt.

Für mich als Anwender ergibt sich daraus nur ein Schluss: Die Photovoltaikbranche braucht dringend eine Softwareplattform die ein Grundgerüst bereitstellt auf das man mit individuellen Modulen aufbauen kann, um die Funktionalität ständig erweitern zu können. Die Module müssten hierbei einen möglichst geringen Funktionsumfang haben und möglichst offene Schnittstellen zur Außenwelt besitzen. Als Beispiel sei hier z.B. Google Maps genannt, eine Software die es ermöglicht verschiedenste Daten geographisch zu ordnen und auf frei konfigurierbaren Karten darzustellen. Google hat die API (Application Programmers Interface) offengelegt und ermöglicht damit jedem Programmierer die Funktionalität in seine eigene Software zu integrieren. Auf die Photovoltaik übertragen ergibt sich hierbei die Frage warum es eigentlich nicht möglich ist ähnliche Ansätze zu verfolgen. Wie wäre es zum Beispiel wenn es eine “Online Modul- bzw. Wechselrichterdatenbank” gäbe, die jeder der solche Daten benötigt in seine jeweilige Anwendung per API Schnittstelle übernehmen könnte? Eigentlich brauchen wir doch insgesamt nur eine Datenbank, die dafür aber möglichst umfassend und vollständig sein sollte. Es gibt immer wieder Diskussionen darüber welche Daten in einer solchen Datenbank verfügbar gemacht werden sollten und welche nicht. Jeder hat so seine eigenen Vorstellungen und jede Datenbank sieht etwas anders aus. Beim letzten PV Symposium auf Kloster Banz wurde wieder deutlich, dass die Branche zum einen nach möglichst guten Simmulationen sucht (in diesem Fall unter Berücksichtigung der besonderen spektralen Empfindlichkeit von Dünnschichtmodulen) der Programmierer der Software aber gar keinen Zugriff auf die notwedigen Daten der Modulhersteller hat. Hier ist dringend eine Vereinheitlichung angeraten zum Wohl der gesamten Branche. Und ist es denn wirklich notwendig, dass sich PV-Spezialisten damit befassen wie man am Besten ein Grafikprogramm schreibt mit dem man schnell und einfach 3D Modelle erstellen kann um diese dann aus verschiedenen Winkeln zu bestrahlen um Verschattungssituationen zu analysieren. Sicherlich nicht. Hier gibt es bereits sehr brauchbare Lösungen, die sogar kostenlos im Internet verfügbar sind. (siehe google sketchup). Die Software ist kinderleicht zu bedienen. Meine zehnjährige Tochter brauchte eine Woche um damit schnell einfache 3D Modelle von Häusern erstellen zu können. Man kann diese sogar auf ein “google earth” Foto platzieren und erhält damit automatisch die Koordinaten, die für die exakte Berechnung der Verschattungssituationen notwendig sind. Und… es gibt offene Schnittstellen, die bereits von vielen Softwarehäusern genutzt werden um z.B. Energiesimulationen zu machen. (siehe http://apps1.eere.energy.gov/buildings/energyplus/openstudio.cfm)  Etwas Vergleichbares habe ich in der PV-Softwarebranche lange Zeit vollkommen vergebens gesucht. Inzwischen gibt es einige Programme die so etwas können, der Grafikteil ist meiner Meinung nach aber um Längen schlechter als bei google sketchup. Besser wäre es doch der PV-Programmierer beschäftigt sich damit Modelle zu entwickeln, die pv-spezifisch sind, z.B. die exakte Zuordnung von Modulen in einer bestimmten Verschattungssituation zu ihren jeweiligen elektrischen Eigenschaften, der Verschaltung mit dem Wechselrichter etc… sowas macht google nicht. Das und vieles andere mehr ist Aufgabe der PV-Profis.

Wie sollte so eine Photovoltaik-Plattform aus der Sicht des Anwenders idealerweise aussehen:

Im Zusammenhang mit der Erstellung der Webseite auf der Sie diesen Beitrag gerade lesen habe ich lange nach einer Lösung gesucht, die folgende Kriterien erfüllen sollte:

  • Online verfügbar (bei einer Webseite natürlich selbstverständlich )
  • vollständige Trennung von Inhalt und Aussehen
  • modularer Aufbau und offene Schnittstellen
  • jederzeit durch neue Funktionalität erweiterbar

Es gibt inzwischen verschiedene Plattformen die diese Bedingungen erfüllen. Erstellt wurde diese Seite schließlich mit DotNetNuke.

Was ist DotNetNuke ?

DotNetNuke ist eine OpenSourcePlattform zum Erstellen von Internetportalen bzw. Web basierten Applikationen. Die Portalsoftware selbst ist eine Art Betriebssystem für Webapplikationen und stellt das Gerüst für eine sehr freie Konfigurierbarkeit und Erweiterbarkeit. Konkret funktioniert die Sache so, dass DotNetNuke auf einem Webserver installiert wird. Mit DotnetNuke erhält man nicht nur die eigentliche Plattform (z.B. eine komplette Nutzerverwaltung uvm.), sondern auch bereits einige sogenannte Skins (ein Skin definiert das Aussehen der Seiten im Portal) und einige Standardmodule, die man im Baukastensystem auf den Seiten platzieren kann. Was machen diese Module? Beispielhaft möchte ich kurz einige Module nennen:

  • Text HTML Modul (hier kann HTML Code oder einfacher Text mit Bildern etc. eingegeben werden)
  • Account Login (für die Anmeldung von Usern)
  • Forum (ein Modul mit dem man sowas wie www.photovoltaikforum.com aufmachen kann)
  • FAQs (ein Modul zum anlegen von FAQs)
  • Wiki (Modul zum Aufbauen eines Wiki)
  • RSS Feeds (Modul zum erzeugen von RSS Feeds)
  • News (ein Newsreader)
  • Documents (ein Modul zum verwalten von Dokumenten )

und so weiter und so weiter. Man könnte die Liste beliebig lange fortführen. (siehe http://www.snowcovered.com/snowcovered2/)

Doch was hat das alles nun mit Photovoltaik zu tun ?

Nun ganz einfach. Würden sich die Softwareschaffenden in der PV-Branche auf dieses oder ein ähnlich flexibles modulares Softwarekonzept verständigen könnte man spielend aus 50 Insellösungen ein Gesamtsystem synthetisieren, das für alle Beteiligten nur Vorteile hätte. Um es gleich vorweg zu nehmen: Auch auf einer Open Source Plattform wie DotNetNuke gibt es käufliche Module die nicht unerhebliche Lizenzgebühren kosten. Kostenlos sind nur die Grundbausteine und die Plattform selbst. Auch hier könnten die verschiedenen Softwareanbieter natürlich weiterhin mit Spezialmodulen Geld verdienen.

In meiner Vorstellung gäbe es dann für die Photovoltaik einige kostenlose Grundmodule, z.B. ein Modul um auf die (dann hoffentlich einzige) Moduldatenbank zugreifen zu können, ein Modul für die Wechselrichterdatenbank und z.B. ein Auslegungstool für Wechselrichter und einen EEG Vergütungsrechner. Für weitere Module sind der Phantasie natürlich keinerlei Grenzen gesetzt. Denkbar wären z.B.:

  • Projektdatenbank (Modul zum Verwalten von PV Projekten für Installateure)
  • Wirtschaftlichkeitsberechnungen
  • Simulation netzgekoppelte Anlagen
  • Simulation Inselanlagen
  • Wetterdaten-Datenbank
  • Schnittstellenmodul zu einem 3D Zeichen-Programm
  • Anlagenplaner individualisiert für spez. Anbieter (z.B. IBC PV Manager etc…)
  • Ertragsdatenbank (Modul zur Verwaltung von Ertragsdaten)
  • Portalmodul für SolarLog Onlinedaten (natürlich würde es auch für SMA Fronius Kaco und alle anderen denkbaren WR Onlinemodule geben)
  • Anlagentagebuch (Fehlerprotokolle Statistiken etc…für Installateure)
  • Social Networking (Kyocerabetreiber treffen sich, SMA Wechselrichterfreaks tauschen Daten aus…)
  • Modul zur Verwaltung von Moduleinzelwerten (für Modulhersteller)
  • Modul zum Erfassen von Moduleinzelwerten und Abgleich mit der OnlineDatenbank des Herstellers

Da gäbe es sicherlich noch zahlreiche Ideen und ich werde die Liste noch hin und wieder ergänzen.

Ich hoffe, dass es außer mir noch andere und insbesondere natürlich Softwarefirmen im PV-Bereich gibt, die eine solche Plattform für dringend notwendig halten und die Vorteile für alle erkennen.

Wenn dem so ist… sollten sich die wichtigsten Akteure so schnell wie möglich auf eine gemeinsame Plattform einigen und mit der Arbeit beginnen. Vielleicht könnte es ja mal eine Photon-Photovoltaik-Softwarekonferenz als Initialzündung geben.

Wir die User, warten schon sehr lange …

Eine Übersicht über gängige Simulationsprogramme findet man auf der Seite von Volker Quaschning von der TU Berlin.

Kommentare

  1. Hallo Herr Diehl,

    eine zentrale, öffentliche und offene Modul-Datenbank mit einfacher API wäre eine schöne Geschichte. Das gleiche gilt natürlich auch für die Wechselrichter, Kabel, Montagesysteme, Wetterdaten und was man sonst noch so für die Anlagensimulation und Auslegung braucht. Das Ganze online und von jedem kostenlos nutzbar und editierbar (ähnlich dem Wikipedia-Prinzip).

    Eine Vereinheitlichung bzw Standardisierung der jeweiligen Schnittstellen vor der Realisierung halte ich allerdings für utopisch. Erstens wird es schwer werden, alle Akteure dazu an einen Tisch zu kriegen und zweitens liegen eventuell auch die Interessen anders.

    Ich denke, dass sich ein Standard durchsetzen kann, wenn er häufig und von den wichtigen Akteuren verwendet wird. Wenn also das Prinzip einfach und die Vorteile groß sind, wird sich die Plattform schnell herumsprechen und Verwendung finden.

    Da es so etwas wie eine öffentliche und vor allem von außen ansprechbare Datenbank noch nicht gibt, könnte so eine Datenbank vielleicht sogar relativ einfach zum Erfolg werden und damit die tägliche Arbeit vereinfachen. Voraussetzung wäre aber auch eine gewisse Quantität und Qualität der Datensätze. Ich denke der Schlüssel dazu liegt in den Herstellerfirmen selbst, die ein Interesse daran haben sollten, ihre Module oder Wechselrichter in diese DB einzupflegen.

    Ich hatte bei der Entwicklung unserer Simulationssoftware auch schon den Gedanken, wie schön es wäre, die Photon-DB einbinden zu können. Aber wie bei fast allen Datenansammlungen haben die Eigentümer ein anderes Interesse, als die Daten quasi kostenlos zur Verfügung zu stellen ,-)

    Technisch wäre so eine Datenbank auch relativ einfach umzusetzen. Man braucht einen php-fähigen Webserver, installiert eine sql-Datenbank und programmiert eine Oberfläche, über die man die Daten eingeben kann. Wir werden diesen Gedanken mal diskutieren und schauen, wie wahrscheinlich eine solche Realisierung sein kann. Ist halt doch auch immer Arbeit ,-) Aber besser einmal die richtige Arbeit machen, als danach über Jahre hinweg die doppelte Arbeit zu haben…

    Beste Grüße nach Rüsselsheim!
    Martin Hofmann

    PS: Volker Quaschning ist mittlerweile an der HTW Berlin.

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